Kosten und Risiken extensiver Gebäudebegrünungen.

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© Milica Spasojevic

Kosten und Risiken extensiver Gebäudebegrünungen.

Nach Beobachtungen von Aengevelt ist extensive Gebäudebegrünung en vogue. Die Begrünung von Dächern, Fassaden, Innenhöfen und Gebäudenischen soll urbanen Hitzeinseln entgegenwirken, Starkregen zwischenspeichern und zur Artenvielfalt beitragen. Die Researchabteilung des DIP-Partners Aengevelt warnt jedoch vor konstruktivem Mehraufwand, hohen Pflege- und Folgekosten, möglichen Gebäudeschäden und empfiehlt eine umfassende Betrachtung über den gesamten Gebäudelebenszyklus hinweg.

Auch in der Landeshauptstadt Magdeburg hatte der weltbekannte Künstler Friedensreich Hundertwasser im Jahr 2005 die „Grüne Zitadelle“ ikonenartig gestaltet – ein einzigartiger Wohn- und Geschäftshauskomplex mit individuell begrünten Nischen, Terrassen und Dachflächen. Ab 2014 sorgte in Mailand der „Bosco Verticale“, der senkrechte Wald, für Aufsehen, als zwei üppig begrünte Wohntürme errichtet wurden. In Düsseldorf bietet der 2020 fertiggestellte „Kö-Bogen II“ eine Fassade mit insgesamt 8 Kilometern Hainbuchenhecke. Und jüngst ist ein Hotelneubau in Singapur zum „besten Hochhaus der Welt“ gekürt worden, bei dem über 40% des Gebäudevolumens aus Gärten besteht.

Derart extensive Gebäudebegrünungen werden in Kreisen einflussreicher Städtebauer häufig ideologisch begründet, wenn zu ihrer Errichtung etwa postuliert wird, dass damit „die Natur zurück in die Stadt“ gebracht werde. Die Pflanzen sollen aber auch zum sommerlichen Wärmeschutz beitragen, indem sie Fassaden- und Dachflächen verschatten. Die von den Pflanzen ausgehende Verdunstung soll zudem eine kühlende Wirkung entfalten und damit die Klimaresilienz der Städte steigern, wenn sich im Rahmen des Klimawandels urbane Hitzeinseln bilden. Das Blatt- und Wurzelwerk der Pflanzen soll Schadstoffe aus der Luft filtern und bei Starkregen als Zwischenspeicher dienen. Die Pflanzen sollen CO2 aus der Atmosphäre binden. Schließlich erwartet man von der Begrünung auch neue Habitate für Insekten, Vögel und Kleintiere, welche zur Steigerung der Artenvielfalt beitragen.

Dementsprechend postulieren kommunale Gremien und Behörden in zunehmenden Maße Gebäudebegrünungen, insbesondere, um die Akzeptanz von Hochhausbauten herzustellen und zu steigern. So wird folglich der „Green City Plan“ des extrem dicht besiedelten Stadtstaats Singapur schon als Vorbild für deutsche Stadtentwicklungen diskutiert, beispielsweise in Hamburg.

Aengevelt Research verweist hierzu auf die immobilienwirtschaftliche Notwendigkeit, bei diesen Projekten auch Mehrkosten und Risiken solcher Begrünungen systematisch zu erfassen und zutreffendenfalls zu quantifizieren. Für Gebäudebegrünungen ist in der Regel ein erheblicher konstruktiver Mehraufwand erforderlich, der aus erhöhten Traglasten für Dächer, aus Pflanzkästen, aus Wurzelsperren, aus technisch aufwändigen Bewässerungssystemen und aus Verankerungen und Umsturzsicherungen für Bäume besteht. Allein die zusätzliche Betonmasse, die dafür benötigt wird, lässt die CO2-Bilanz (zu) extensiv begrünter Gebäude ins Negative kippen. Für Wurzelsperren werden in der Regel Polyethylenfolien verwendet, die Nanoplastik-Partikel und giftige Peroxide absondern können. Trotz aller Schutzmaßnahmen können Gebäudeschäden nur schwer vermieden oder im Extremfall gar nicht verhindert werden, beispielsweise durch das Dickenwachstum von Wurzeln, das Einwachsen von Wurzeln und Ästen in kleinere Gebäudeöffnungen wie Lüftungsschlitze oder -gitter, die Verunreinigungen und Verstopfungen von Abflüssen oder das Abbrechen von Ästen und Umstürzen von Bäumen.

Einige der bereits realisierten Projekte – wie der „Bosco Verticale“ – zeigen auf, dass extensiv begrünte Gebäude extreme Pflegekosten verursachen. So beschäftigen die beiden Mailänder Wohntürme drei schwindelfreie Gärtner, die ganzjährig auf Vollzeitbasis tätig sind.

Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter von Aengevelt Immobilien: „Solange es sich um spektakuläre Einzelobjekte handelt, die hohe Medienaufmerksamkeit genießen, und solange die Gebäude im ersten Drittel ihres Lebenszyklus sind, finden sich durchaus avantgardistische Mieter, die angesichts des Nutzungsmehrwertes bereit sind, kalkulierbare Mehrkosten zu tragen. Wenn jedoch das Objekt seine Alleinstellungsreize in der Nutzen-Kosten-Analyse im filgering-down-Prozess relativiert, kann es zu Situationen kommen, in denen altersbedingt gebotene Umstrukturierungen und deren Finanzierung oder Rentabilität kritisch werden können. Diese Entwicklung ist vergleichbar z.B. mit Schwimmbädern in ETW-Anlagen, die nach einigen Jahren geschlossen werden, weil die Eigentümer die steigenden Betriebskosten nicht mehr tragen wollen oder können.“

Aengevelt Research empfiehlt deshalb Bauherren und Investoren, bereits in einer frühen Planungsphase eine professionelle Lebenszyklusbetrachtung zu beauftragen, welche die Pflege- und Instandhaltungskosten über die gesamte Lebenszeit der Immobilie hinweg berücksichtigt. Aus ökologischer Perspektive ist dabei auch zu prüfen, ob und ggfs. welche ökonomisch und ökologisch sinnvolle Alternativen vorliegen, so z.B. im Kontext mit einer Quartiers- oder ggfs. auch Umlandbetrachtung von   Straßenbäumen, Parkanlagen oder Waldgebieten. Mathew Frith, Direktor der Londoner Naturschutzbehörde, empfahl in einem Interview mit der Financial Times, sich nicht unkritisch die Gebäudebegrünung im dicht bebauten Singapur als Vorbild zu nehmen, sondern die Grüngürtel deutscher Städte wie z.B. Stuttgart, aus denen der Wind die Luft in den Stadtzentren kühlt und befeuchtet. Um auf kle iner Grundstücksfläche viel Grün unterzubringen, empfiehlt Aengevelt Research auch vertikale Parks nach dem Vorbild des MFO-Parks in Zürich-Oerlikon.

Thomas Glodek

Leiter Öffentlichkeitsarbeit