Wohnungsmangel begünstigt politische Radikalisierung.

Artikel teilen
  • Facebook Icon
  • Twitter Icon
  • LinkedIn Icon

Wohnungsmangel begünstigt politische Radikalisierung.

Sozialer Frieden gefährdet.

Nach Analysen von Aengevelt werden seit mittlerweile 15 Jahren in Deutschland Jahr für Jahr zu wenig Wohnungen fertiggestellt. Allein für das laufende Jahr beziffert Aengevelt Research die Wohnungsbaulücke auf 375.000 Wohneinheiten. Das bundesweit aufgelaufene Wohnungsdefizit wird, je nachdem, wie Wohnungsmangel definiert wird, auf 750.000 bis 1,9 Millionen Wohneinheiten geschätzt. Die logische Folge sind stark steigende Mietniveaus, die einen wachsenden Teil der Bevölkerung überfordern. Nach neuesten Erkenntnissen droht die Gefahr, dass die chronische Wohnungsbaulücke den sozialen Frieden stark gefährdet und so die politische Radikalisierung begünstigt.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) schätzt das Wohnungsdefizit auf 750.000 Wohneinheiten; das Pestel-Institut sieht eine ähnliche Größenordnung, und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung geht sogar von 1,9 Millionen Wohnungen aus, die insbesondere in den Großstädten und im unteren Preisbereich fehlen. Die starken Abweichungen zwischen den Schätzwerten erklärt die Forschungsabteilung des DIP-Mitgründers Aengevelt dadurch, wie man die Haushalte mit Wohnbedarf definiert und ermittelt bzw. inwieweit man Ausweichstrategien der potenziellen Wohnungssuchenden mitberücksichtigt. Zählt man diejenigen mit, die gezwungen sind, in Wohngemeinschaften zusammenzuleben, an anderen Orten zu wohnen, noch bei den Eltern zu wohnen oder in einer zu kleinen Wohnung zu verbleiben, weil sie keine bezahlbare Wohnung an dem von ihnen gewünschten Ort finden, ist die Größenordnung der Defizitermittlung der Hans-Böckler-Stiftung als realistischer anzusehen.

Die Entwicklung der Wohnungsbaufertigstellungen vs. der Entwicklung der Privathaushalte.

Überbelegung und Mietbelastung steigen.

Ein Indikator für die sich verschärfende Mangelsituation ist, dass nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts bereits im Jahr 2023 17 % der Bewohner von Großstädten in überbelegten Wohnungen lebten – eine Quote, die sich von Jahr zu Jahr gesteigert hat.
Die vom Statistischen Bundesamt zudem ermittelte Mietbelastungsquote steigt ebenfalls kontinuierlich an und lag im Jahr 2022 bundesweit bei durchschnittlich 27,9 %. Überproportionale Mietbelastungsquoten sind in zahlreichen Großstädten zu verzeichnen, bei Einpersonenhaushalten, bei unter 25-Jährigen und über 65-Jährigen und bei Haushalten, die von Transfereinkommen (Rente, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe etc.) leben. Kommen mehrere Risikofaktoren zusammen, kann die Mietbelastungsquote bis über 50 % des Haushaltsnettoeinkommens erreichen.

Lars von Lackum, LEG Immobilien
Lars von Lackum, LEG Immobilien

Das Paradoxe ist, dass die Mietpreise zwar die Mieter belasten, aber nicht ausreichen, um Investoren zu motivieren, neue Wohnungen zu bauen und Bestandswohnungen grundlegend zu sanieren, wie beispielsweise Lars von Lackum, CEO der LEG Immobilien, mit 167.000 Wohnungen eines der größten deutschen Wohnungsunternehmen, vor wenigen Tagen auf einem von Aengevelt auf der Expo Real hochkarätig besetzten Podium analysierte.

Folge: Der Wohnungsmangel wird sich so lange weiter verschärfen, wie die erforderlichen Neubauleistungen aufgrund des in Bedarfsregionen anhaltend zu teuren bedarfsgerechten Angebotes wesentlich unterschritten bleiben, kostentreibende Bauvorschriften und eine inhomogene und damit wenig verlässliche Förderkulisse zu den unzureichenden Rahmenbedingungen zählen.

Energetische Auflagen verschärfen Wohnungsmangel.

Die energetischen Auflagen des Bundesgesetzgebers, insbesondere des Gebäudeenergiegesetzes, und der Europäischen Union – Stichwort Sanierungspflicht – werden das Wohnen noch weiter verteuern. Nach einer Befragung der Aareal-Bank sind 70 % der repräsentativ befragten deutschen Mieter „voll und ganz überzeugt“, dass die energetische Sanierung von Immobilien das Angebot an bezahlbarem Wohnraum in Städten und ihrem Umland weiter verschärfen wird. Und sogar 83 % stimmen vollumfänglich der Aussage zu, dass die Mietpreise in deutschen Städten ein ernsthaftes Problem für den sozialen Frieden in unserem Land sind. Damit trägt der Wohnungsmangel signifikant dazu bei, dass radikale Parteien und Populisten weiter an Zustimmung gewinnen.

Politik verpasst Mobilisierungschance.

Dabei hatten Fachkreise wie z.B. die Bertelsmann-Stiftung bereits im Jahr 2018 festgestellt, dass Politiker, die sich für „viel höhere“ Investitionen in den sozialen Wohnungsbau einsetzen würden, mit deutlich verbesserten Zustimmungswerten rechnen könnten. Ein entschlossenes marktorientiertes Eintreten für wirksame wohnungspolitische Maßnahmen anstatt immer neuer ideologischer Regulationsansätze wurde im Ergebnis der Analysen deshalb von der Stiftung als „verpasste Mobilisierungschance“ qualifiziert.

Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter des DIP-Partners Aengevelt Immobilien fasst zusammen: „Selbst der Bundeskanzler hat zuletzt die Wohnungsnot als die entscheidende soziale Frage benannt, aber ein entschlossenes wirkungsvolles Gegensteuern und Handeln der Bundesregierung ist unterblieben.  Stattdessen wird Jahr für Jahr das keineswegs überehrgeizig selbstgesetzte Ziel von jährlich 400.000 Wohneinheiten mit noch steigender Tendenz verfehlt.  Anstatt   Infrastruktur und bezahlbaren  Wohnungsbau zu priorisieren und dazu zeitnah wirksame Pakete zur Mobilisierung von Grundstückarealen zu schnüren und in die investitionsfähige und -bereite Investorenschaft zu bringen und zur Ingangsetzung mindestens zeitlich befristete,  spürbare Steuererleichterungen für Bauherren und dazu eine  verlässliche Wohnungsbauförderung und einen vernünftigen Abbau der immer kostspieligeren energetischen Anforderungen  zu vollziehen, werden Placebos wie die neue Gemeinnützigkeit oder Gesetzentwürfe zum Gebäudetyp-E verteilt. Die politischen Wohnungsbaudenker müssen endlich erkennen, dass es in der Wohnungspolitik längst um nicht weniger als um die Bewahrung des sozialen Friedens und der Demokratie unseres Landes geht.“

Thomas Glodek

Leiter Öffentlichkeitsarbeit